Alex Smith – Ein Schrei, den niemand hört

Manchmal macht man Dinge rückwärts – so wie ich. Erst Band 2 verschlungen, dann beschlossen: Na gut, dann holen wir Band 1 eben nach. Und das war eine ziemlich gute Entscheidung!

Alex Smith – Ein Schrei, den niemand hört

Band 1 der Reihe um DCI Robert Kett – Britischer Krimi mit Herz, Härte und einer Prise Chaos-Dad-Vibes

Denn was hier wie ein klassischer britischer Krimi beginnt, entpuppt sich schnell als eine fein ausbalancierte Mischung aus düsterer Vermisstenfall-Spannung, familiärem Drama und unerwartet warmen, charmanten Momenten.

Worum geht’s?

DCI Robert Kett – Witwer… okay fast-Witwer, weil seine Frau offiziell nur vermisst ist – zieht nach Norwich, um mit seinen drei (!) Töchtern dem Großstadtchaos Londons zu entkommen. Klingt erstmal wie eine romantische Kleinstadtflucht, aber es dauert exakt null Seiten, bis die nächste Vermisstenmeldung reinkommt: Ein Zeitungsmädchen, Maisie, ist verschwunden.

Kett – innerlich zerrissen, äußerlich tough – kann nicht anders, als sich in den Fall zu stürzen. Dabei trägt er nicht nur die Verantwortung für seine Kinder auf den Schultern, sondern auch das Gewicht der ungelösten Entführung seiner Frau.

Was hat mich überzeugt?

  • Robert Kett. Oder Robbie, wie ich ihn liebevoll nenne. Er ist kein klischeebeladener Hardboiled-Cop, sondern ein Mensch mit echten Schwächen, echter Trauer – aber auch echtem Biss. Ich hab ihn sofort ins Herz geschlossen.
  • Seine Töchter. Diese drei kleinen Chaos-Queens bringen nicht nur Leben in die Geschichte, sondern auch eine dringend benötigte Portion Leichtigkeit. Und – Fun Fact – sie führen ein ziemlich strenges Regiment. Wer dachte, Polizisten hätten im Dienst alles im Griff, hat Kett nie beim Abendessen mit seinen Mädels gesehen.
  • Das Ermittlerteam. Schrullig, sympathisch, mit britischem Humor und echtem Herzblut – Alex Smith versteht es, auch Nebenfiguren mit Leben zu füllen. (Ich sag nur: mehr davon!)

Und der Fall?

Spannend, teils richtig beklemmend. Das Thema Kindesentführung ist nichts für schwache Nerven – und hier wird es durchaus drastisch und emotional erzählt. Klar, ein, zwei Wendungen konnte man kommen sehen, aber das hat der Geschichte kaum geschadet. Ganz im Gegenteil: Die Mischung aus cleveren Ermittlungen, familiärer Zerrissenheit und unterschwelligem Horror hat mich durchgehend bei der Stange gehalten.

Ein weiterer Spannungsfaktor, der mitschwingt, ist natürlich die ungelöste Entführung von Ketts Frau Billie. Dieser Nebenschauplatz ist so präsent und tragisch, dass er die Hauptstory emotional auflädt – und gleichzeitig neugierig macht, wie es mit ihr (und ihm) weitergeht.

Krimi oder Thriller?

Ganz ehrlich: Für mich ist es mehr ein Charakter-getriebener Krimi mit Thriller-Elementen als ein lupenreiner Thriller. Kein Hochglanz-Action-Blockbuster, sondern eher ein gut gemachter, düsterer BBC-Crime-Mehrteiler – mit viel Gefühl, gutem Gespür für Atmosphäre und einer Prise Familienchaos.

Ein starker Reihenauftakt mit einem sympathisch überforderten Ermittler, einer düsteren Story und einem unaufdringlich emotionalen Unterton. Wer gerne in Krimis mit glaubhaften Charakteren eintaucht, wird bei Robert Kett fündig. Und wer Band 2 mochte, sollte Band 1 auf keinen Fall auslassen.

3,5 von 5 Sternen – mit Tendenz nach oben. ⭐️⭐️⭐️✨

Ich bin gespannt, wie sich Kett weiterentwickelt und ob er seinen inneren (und äußeren) Dämonen entkommen kann.