Brackwasser

 Welches Setting packt euch bei einem (Psycho-)Thriller am meisten – einsame Küstenorte, düstere Wälder, verlassene Häuser oder das vertraute Familienidyll, das langsam Risse bekommt? 🌊🌲🏚️

Mit ‚Brackwasser – Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich‘ liefert Jana Stieler einen atmosphärischen Küstenkrimi, der ganz ohne blutige Effekthascherei auskommt und stattdessen auf psychologische Tiefe und norddeutsches Flair setzt.

Im Mittelpunkt stehen zwei entfremdete Schwestern, Svea und Fenja, die durch einen grausamen Fund nach Jahrzehnten wieder aufeinanderprallen. Tief im Wald wird die Leiche von Julias bester Freundin Julia entdeckt – ein Fund, der alte Wunden aufreißt und ein Geheimnis ans Licht drängt, das nie hätte ruhen dürfen. Für Svea ist schnell klar, wer der Schuldige ist: ihr eigener Schwager. Niemand kennt die Wälder an der Schlei so gut wie er, und niemand hat damals näher an Julia gestanden. Sveas Drang, ihre Schwester und deren Kinder zu schützen, stößt jedoch auf Misstrauen, denn Fenja spürt, dass Svea in jener Nacht vor zwanzig Jahren nicht die ganze Wahrheit gesagt hat.

Was dieses Buch für mich besonders macht, ist nicht der große Knall, sondern die leise, schleichende Spannung. Jana Stieler zeichnet ein kleines norddeutsches Dorf, das so friedlich wirkt wie die Wasser der Schlei – doch wie das titelgebende Brackwasser lauern darunter dunkle Strömungen. Die Autorin arbeitet feinfühlig mit Charakteren, lässt ihre Brüche, Ängste und Schuldgefühle spürbar werden und schafft es, eine unaufgeregte, aber beklemmende Atmosphäre aufzubauen.

Das Erzähltempo schwankt – phasenweise fühlt sich die Geschichte fast mehr wie ein intensives Familiendrama an, das alte Konflikte und unterdrückte Emotionen ans Licht holt. Doch immer wieder blitzen neue Puzzleteile zu Julias Verschwinden auf, die den Thrillerfaden zurück in den Vordergrund holen und das Tempo anziehen. Besonders gelungen fand ich, wie Stieler die Landschaft und die Mentalität der Menschen an der Schlei einfängt. Man spürt beim Lesen die Feuchtigkeit der Wälder, den Geruch des Wassers, das gleichzeitige Gefühl von Weite und Enge in dieser norddeutschen Gegend.

Allerdings hätte ich das Buch weniger als Psychothriller, sondern eher als atmosphärischen Krimi eingeordnet. Die psychologische Spannung ist subtil und die Handlung lebt mehr von der Dynamik zwischen den Figuren als von klassischen Thriller-Elementen. Wer hier blutige Action oder permanente Gänsehaut erwartet, wird vermutlich nicht fündig. Wer sich aber gerne in eine Geschichte fallen lässt, die unter der Oberfläche brodelt und langsam ihre dunklen Geheimnisse freilegt, dürfte genau das bekommen, was der Titel verspricht: stille Wasser, die tiefer sind, als sie scheinen.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen. Kein Adrenalinrausch, sondern ein leiser, atmosphärischer Thriller, der auf psychologische Feinheiten setzt und lange nachklingt.

Und jetzt seid ihr dran: Welches Setting sorgt bei euch sofort für Gänsehaut? Düsterer Wald, endlose Küste oder doch der unscheinbare Nachbar von nebenan?