„Not Quite Dead Yet“ von Holly Jackson

Ein Thriller, der leise beginnt – aber laut nachhallt.

Ich durfte zum zweiten Mal an einer Leserunde von PocketBook teilnehmen und auch wenn ich mich riesig darüber gefreut habe, merke ich: So richtig warm bin ich mit dem Konzept noch nicht geworden. Es ist wie ein Buddyread – eigentlich eine schöne Idee, aber ich bin scheinbar mehr der stille Mitleser-Typ. Ich lese lieber die Eindrücke der anderen und mache mir dann meine eigenen Gedanken. Vielleicht muss ich mich einfach noch etwas an das Format gewöhnen. Ich bin ja prinzipiell offen, aber manchmal irritieren mich die Zwischenkommentare und dann stolpere ich mehr durch die Kapitel als dass ich sie genießen kann.

Aber nun zum eigentlichen Star des Beitrags: dem Buch!

„Not Quite Dead Yet“ von Holly Jackson ist ein Thriller, der direkt durch seinen ungewöhnlichen Pitch neugierig macht. Jet, Tochter einer der einflussreichsten Familien in Woodstock, Vermont, wird in der Halloween-Nacht brutal überfallen. Die Diagnose danach: ein tödliches Aneurysma – sie hat nur noch eine Woche zu leben. Und in dieser Zeit will sie unbedingt herausfinden, wer hinter dem Angriff steckt. Denn Jet ist überzeugt: Jemand wollte sie töten. Und er (oder sie?) wird es wieder versuchen.

Was für eine irre Idee: Die Hauptfigur hat nur sieben Tage Zeit, um ihren eigenen Mord aufzuklären. Klingt nach Hochspannung? Ist es auch. Holly Jackson, bisher eher bekannt für Jugendthriller, wagt sich mit diesem Buch das erste Mal an eine erwachsene Zielgruppe – und man merkt es, in mehrfacher Hinsicht.

Der Stil ist streckenweise noch recht einfach gehalten, fast ein wenig zu jugendlich für das Thema. Aber gerade das sorgt dafür, dass man sehr leicht in die Geschichte reinfindet. Die Seiten fliegen nur so dahin, die Kapitel sind kurz, oft mit Cliffhangern versehen – genau mein Lesetempo.

Jet als Hauptfigur ist interessant. Nicht immer durch und durch sympathisch, manchmal rebellisch, ein bisschen planlos, dann wieder extrem willensstark. Sie macht eine krasse Entwicklung durch – logisch, wenn man weiß, dass man sterben wird. Aber mein Herz hat ganz klar an Billy gehangen. Der Kindheitsfreund, der an ihrer Seite bleibt, obwohl alles gegen sie spricht. Für mich war er der wahre Held des Buches – ruhig, loyal, warmherzig. Ohne ihn wäre Jet oft verloren gewesen – und als Leser vermutlich auch.

Die Handlung selbst hat alles, was man von einem guten Thriller erwartet: Geheimnisse, Misstrauen, Familienintrigen, verletzte Eitelkeiten und eine ordentliche Portion Kleinstadtklatsch. Ich liebe solche Settings! Wenn jeder jeden kennt und trotzdem nichts gesagt wird – das sorgt für ganz eigene Spannungsmomente.

Was mir besonders gefallen hat: Die Idee, die eigene Sterblichkeit als Motor für eine Mordermittlung zu nehmen. Jet hat nichts mehr zu verlieren, also geht sie Risiken ein, stellt Fragen, provoziert. Dadurch entsteht eine unheimlich dichte Spannung, die immer wieder durch emotionale Szenen unterbrochen wird. Das hat mich oft richtig gepackt – obwohl ich kein großer Fan von überzogener Dramatik bin.

Einziger Kritikpunkt: Das Ende. Es war für mich etwas zu konstruiert, zu viel auf einmal, fast ein wenig „drüber“. Nicht schlecht, aber auch nicht ganz rund. Trotzdem war es ein Finale mit Wucht, das mich definitiv überrascht hat.

Ein ungewöhnlicher Thriller, der sich nicht über Brutalität oder Ermittlungsprotokolle definiert, sondern über eine intensive Atmosphäre und starke emotionale Momente. Die Idee, nur sieben Tage für die eigene Aufklärung zu haben, ist originell und wird spannend umgesetzt – auch wenn sprachlich noch Luft nach oben ist. Für mich ein starker Einstieg von Holly Jackson in die Erwachsenenliteratur. Ich bin gespannt, was sie als Nächstes für uns bereithält.

4/5 ⭐️⭐️⭐️⭐️