„Der Nachtschattenmann“ von Catherine Shepherd

Ein vergessenes Buch im Regal – „Der Nachtschattenmann“ von Catherine Shepherd

„Wie konnte ich dieses Buch bloß vergessen?!“ – Das war mein erster Gedanke, als ich den Thriller neulich beim Umräumen im Bücherregal wiederentdeckte. Da stand es: schon gelesen, schon geliebt – aber nie gewürdigt. Höchste Zeit also, diese Schande zu tilgen!

Mein erstes Buch von Catherine Shepherd – und definitiv nicht mein letztes.

Ich frage mich ernsthaft, warum ich so lange an der Autorin vorbeigelesen habe. Der Nachtschattenmann war ein rundum packender Thriller – genau mein Geschmack: düster, clever konstruiert, mit einer faszinierenden Ermittlerin und einem Täter, der einem kalte Schauer über den Rücken jagt.

Worum geht’s?

In einer kalten Nacht wird die Rechtsmedizinerin Julia Schwarz zu einem Tatort gerufen, der an Grausamkeit kaum zu überbieten ist: Auf den Stufen einer Tanzschule liegt eine tote Frau. Ihre Arme sind erhoben, als wolle sie selbst im Tod noch tanzen, ein kleiner Ballerinaschuh in der Hand – fast schon poetisch, wäre es nicht so erschütternd. Kurz darauf erwacht die seit Wochen vermisste Johanna aus der Narkose – doch das Gesicht, das sie im Spiegel sieht, ist nicht ihr eigenes…

Ein Täter, der Gesichter verändert. Opfer, die nicht mehr sie selbst sind. Und ein Team, das verzweifelt versucht, einem Schatten auf die Spur zu kommen.

Was mich an diesem Thriller besonders gefesselt hat, war die perfide Handschrift des Täters: Er operiert seine Opfer, verändert ihr Aussehen chirurgisch – Botox, Filler, Kieferkorrekturen – und erschafft so fremde Identitäten. Das macht die Ermittlungen zu einem Albtraum, denn wer sind diese Frauen wirklich? Und warum müssen sie sterben?

Julia Schwarz ist eine großartige Protagonistin: klug, fokussiert, empathisch – aber auch mit Ecken und Kanten. Ihre Zusammenarbeit mit Kommissar Florian Kessler wirkt eingespielt und glaubwürdig. Obwohl ich die ersten acht Teile der Reihe nicht gelesen habe (noch nicht!), hatte ich keinerlei Probleme, der Handlung zu folgen. Die Bände sind wunderbar unabhängig lesbar, ohne dass man das Gefühl hat, etwas zu verpassen.

Der Schreibstil? Angenehm flüssig, mit viel Gespür für Spannung und Tempo.

Die Kapitel fliegen nur so dahin, und obwohl das Thema schwer ist, liest sich alles leicht und mitreißend. Besonders gelungen fand ich, wie die Ermittlungen immer wieder auf neue Verdächtige stoßen – man tappt lange im Dunkeln, aber nie im Kreis. Bis plötzlich ein kleiner Hinweis alles ins Rollen bringt…

„Der Nachtschattenmann“ ist ein psychologisch raffinierter Thriller, der seine Leser*innen in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele entführt. Faszinierend, düster, erschreckend – und einfach verdammt gut. Ich bin Fan! Und ich habe jetzt Nachholbedarf.

Starke 4 von 5 Sternen – und ganz viel Lust auf mehr Julia Schwarz.