Alex Smiths „Die Schatten, die dich jagen“

Es ist offiziell: Ich lebe gefährlich – denn ich lese Reihen mal wieder nicht der Reihenfolge nach.

Wer braucht schon Vorwissen, wenn man auch direkt mit Band 2 einsteigen kann, oder? Mut zur Lücke heißt mein Lesemotto der Woche – und diesmal hat es mich zu Alex Smiths „Die Schatten, die dich jagen“ verschlagen, dem zweiten Teil der internationalen Bestsellerserie rund um Detective Robert Kett. Ob das eine gute Idee war? Tja… das schauen wir uns mal an.

Worum geht’s?

Ein brutaler Mord in den nebligen Wäldern von Norfolk erschüttert die Gegend – und als wäre das nicht schon düster genug, geistert auch noch die Legende vom „Black Shuck“ durch die Köpfe der Dorfbewohner: ein dämonischer Höllenhund, riesig, schwarz, tödlich. Klingt wie ein urbaner Mythos – wäre da nicht die Tatsache, dass die Verletzungen der Leiche tatsächlich nicht menschlich aussehen. Oder doch?

Detective Chief Inspector Robert Kett wird auf den Fall angesetzt – und der hat selbst ordentlich Ballast im Gepäck. Seine Frau ist spurlos verschwunden, seine Töchter brauchen ihn, sein Körper ist lädiert, und der Schlaf? Ein vages Gerücht. Doch als eine zweite, noch grausamer zugerichtete Leiche auftaucht, blendet Kett all das aus. Denn was sich hier zusammenbraut, ist kein Einzelfall – sondern die Spur eines Serienkillers, der keine Gnade kennt.

Okay, fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Ja, ich habe Band 1 nicht gelesen – und ja, das habe ich gemerkt. Es fiel mir nicht immer leicht, emotional komplett reinzukommen, denn Kett schleppt eine ordentliche Portion Vergangenheit mit sich herum, die hier zwar angedeutet, aber nicht voll greifbar ist. Trotzdem: Die Geschichte funktioniert auch so – man bekommt genug Hinweise, um dem Geschehen folgen zu können, ohne völlig auf dem Trockenen zu sitzen.

Der Plot an sich? Packend, gut konstruiert, mit düsterer Atmosphäre und einem spannenden Setting, das zwischen Aberglaube und realer Bedrohung changiert. Ich liebe solche Kontraste – mystischer Grusel trifft auf knallharte Polizeiarbeit.

Allerdings – und das ist mein persönlicher Eindruck – würde ich das Buch eher im Krimi- als im Thrillerregal einordnen. Die Spannung ist da, keine Frage, aber dieser absolute Nervenkitzel, der einem die Fingernägel abkauen lässt? Der blieb bei mir ein wenig aus.

Robert Kett ist als Figur definitiv interessant: gebrochen, entschlossen, komplex. Ein Ermittler, der einem nicht sofort ans Herz wächst, aber neugierig macht. Ich könnte mir vorstellen, dass er in Band 1 deutlich mehr Tiefe bekommen hat – ein weiterer Grund, warum ich vielleicht doch nochmal zurückblättere und Die Toten, die dich riefen nachhole.

Ein solider zweiter Teil mit starkem Plot, atmosphärischem Setting und einem Ermittler, der mehr durchlebt hat, als in einen Band passt. Für Krimi-Fans mit Faible für düstere Geschichten, urbane Legenden und Ermittlungen mit emotionalem Tiefgang eine klare Empfehlung.

Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen – mit dem klaren Hinweis: Reihenfolge ist manchmal doch keine so schlechte Idee. Band 1 steht jetzt jedenfalls auf meiner Leseliste!