„Safe Space“ von Sarah Bestgen

Es gibt Bücher, die einem sofort ins Auge springen, einfach weil das Setting so außergewöhnlich klingt. Ein Hochsicherheitsgefängnis als Schauplatz? Da bin ich grundsätzlich schon fasziniert – und in diesem Fall sogar doppelt, denn mein Mann arbeitet selbst in einer JVA. Dass die Geschichte in einem Hochsicherheitsgefängnis spielt, hat mich sofort neugierig gemacht. Der Alltag meines Mannes in einer JVA prägt nämlich auch meine eigene Faszination für Themen wie Kriminalität, Täterpsyche und die Frage, warum Menschen Grenzen überschreiten. Für mich ist das ein Thema, das mich nicht nur neugierig macht, sondern auch menschlich fasziniert. Vielleicht war genau deshalb meine Vorfreude auf „Safe Space“ von Sarah Bestgen so groß.

Schon der Klappentext hat mich direkt abgeholt: Eine forensische Psychologin, die mit den gefährlichsten Straftätern arbeitet – und gleichzeitig vor ihrer eigenen Vergangenheit flieht. Das ist ein Mix, den ich liebe. Figuren, die brennen, bröckeln, kämpfen – vor allem im Inneren.

Anna, unsere Hauptfigur, ist genau so jemand. Von außen wirkt sie ruhig, kontrolliert, klug. Aber je länger man liest, desto stärker spürt man, wie viel sie in sich hineinfrisst. Ihre Angst, ihre Unsicherheit, ihre innere Unruhe sind ständig spürbar. Das fand ich richtig gut umgesetzt. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, selbst das beklemmende Flattern in ihrer Brust zu spüren.

Die Geschichte springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das macht das Ganze vielschichtiger – und gerade Annas Vergangenheit ist ein Puzzle, dessen Teile sich nach und nach finden. Die Kapitel aus Leons Sicht haben mir besonders gefallen, weil sie die emotionale Seite der Story verstärken und gleichzeitig noch mal eine ganz andere Sicht auf Anna zulassen.

Trotzdem gab es Momente, die für meinen Geschmack etwas lang gezogen waren. Vor allem die Insassen blieben ziemlich im Hintergrund. Ich hätte unglaublich gern tiefere Gespräche zwischen ihnen und Anna gehabt, dieses psychologisch Intensive, was man in einem solchen Setting ja praktisch auf dem Silbertablett serviert bekommt. Da war viel Potenzial, das nicht ganz ausgeschöpft wurde.

Auch das Gefängnissetting selbst hätte für mich noch etwas rauer sein dürfen. Vielleicht liegt das daran, dass ich durch meinen Mann einfach ein anderes Bild davon habe, wie viel Druck, Stress und Unberechenbarkeit dort herrschen. In „Safe Space“ wirkt vieles vergleichsweise ruhig und kontrolliert, was der Atmosphäre ein bisschen die Schärfe nimmt. Aber vielleicht ist das von JVA zu JVA einfach unterschiedlich.

Was mich aber wirklich gepackt hat, war Anna als Figur. Ihre innere Zerrissenheit, ihr Bedürfnis nach Kontrolle, ihr gleichzeitiger Drang, endlich Antworten zu finden – das war extrem greifbar. Und Sarah Bestgen schreibt das alles mit einer Klarheit, die gut flutscht und trotzdem emotional trifft.

Der einzige Punkt, der mich ein bisschen rausgebracht hat: Einige Wendungen waren leider früh zu erahnen. Manche Formulierungen, kleine Hinweise … ich dachte mir beim Lesen öfter: „Okay, ich ahne, wo das hinführt.“ Das hat ein wenig Spannung genommen, auch wenn die Grundidee der Story absolut stark ist.

Am Ende bleibt für mich ein Thriller, der nicht laut, blutig oder überdramatisch sein will, sondern psychologisch arbeitet – und das macht er gut. Auch wenn ich mir an manchen Stellen etwas mehr Tiefe gewünscht hätte, habe ich das Buch gern gelesen und fand die Atmosphäre wirklich gelungen.

Für alle, die Thriller mögen, die mehr im Kopf als in der Action stattfinden, ist „Safe Space“ definitiv einen Blick wert.

Von mir gibt’s 4 von 5 Sternen ⭐️.