Ich bin bekennender Ivar-Leon-Menger-Fan. Seine letzten Bücher habe ich verschlungen, gefeiert, weiterempfohlen – sie waren für mich Pageturner im besten Sinne. Umso gespannter war ich auf Der Tower. Das Setting klang nach genau meinem Geschmack: ein hochmoderner Wohnturm mitten in Berlin, ein vermeintliches Luxusparadies, das sich nach und nach in einen Albtraum verwandelt. Klingt nach Spannung pur, oder? Leider musste ich feststellen: Dieses Mal hat es für mich einfach nicht funktioniert.
Worum geht’s?
Nova, Galeristin aus Berlin, verliert Job, Freund und Wohnung auf einen Schlag. Da kommt das Angebot, ein Jahr kostenlos im futuristischen Pramtower zu wohnen, wie gerufen. Anfangs wirkt alles wie ein Hauptgewinn: moderne Architektur, edle Wohnungen, eine exklusive Nachbarschaft. Doch schon bald zeigen sich Risse. Warum verhalten sich die Bewohner so merkwürdig? Wieso ist ihre Vormieterin gestorben? Und wer oder was kontrolliert ihr Leben im Tower wirklich? Nova gerät immer tiefer in ein Netz aus Überwachung, Misstrauen und tödlichen Geheimnissen.
Das Setting? Großartig. Ich liebe diese beklemmende „Locked-Room“-Atmosphäre, das Gefühl, dass sich ein Haus, ein Raum oder in diesem Fall ein ganzer Turm wie ein Käfig anfühlt. Genau das transportiert Menger wieder hervorragend. Die kurzen Kapitel, der flüssige, schnelle Schreibstil – alles da, was seine Bücher normalerweise zu Pageturnern macht.
Aber: Hier hörte es für mich leider schon fast auf.
Die ProtagonistinIch habe selten so gefremdelt mit einer Hauptfigur. Nova ist für mich schlichtweg zu naiv, zu eindimensional, zu… nun ja, „begriffsstutzig“. Immer wieder habe ich mich gefragt: Wie kann man nur so handeln? Oft habe ich gedacht: „Das meint ihr doch jetzt nicht ernst?!“ – und das riss mich immer wieder komplett raus. Vielleicht lag es daran, dass Menger hier eine weibliche Figur gezeichnet hat, die eher wie eine stereotype Projektion wirkt. Mir fehlte jede Authentizität, jede Tiefe. Ich konnte zu ihr keine Bindung aufbauen.
Die Nebenfiguren
Die anderen Tower-Bewohner waren zwar ebenfalls keine Sympathieträger, aber immerhin gut gezeichnet. Man spürt die Düsternis, die Fremdartigkeit, die Bedrohung, die von ihnen ausgeht. Und ja, die Atmosphäre des Towers selbst war fast ein eigener Charakter – klaustrophobisch, bedrohlich, erdrückend.
Spannung und Auflösung
Hier schwankte das Buch für mich extrem. Die erste Hälfte zog sich, trotz Mengers gewohnt leichtem Schreibstil. Ich bin zwar durch die Seiten geflogen, fühlte mich aber nicht gefesselt. In der zweiten Hälfte zog das Tempo endlich an, die Bedrohung wurde greifbarer, die Atmosphäre dichter. Doch die Auflösung? Leider keine große Überraschung.
Interessant fand ich die Idee mit den alternativen Enden – ein kreativer Kniff, den man so nicht oft sieht. Aber selbst das konnte meinen eher ernüchterten Gesamteindruck nicht mehr retten.
Der Tower war für mich leider das schwächste Buch von Ivar Leon Menger. Atmosphärisch stark, flüssig erzählt, aber mit einer Protagonistin, die mich schlichtweg verloren hat, und einer Handlung, die zu viele Lücken und vorhersehbare Momente hatte.
Ich bleibe Fan – keine Frage. Bücher wie Finster haben mich komplett begeistert, und ich bin sicher, dass er wieder dorthin zurückfindet. Aber dieses Buch? War leider einfach nicht mein Fall.
⭐️⭐️⭐️ (3 von 5 Sternen – für Atmosphäre und Schreibstil, nicht für Handlung und Figuren)
Habt ihr Der Tower schon gelesen? Ging es euch ähnlich oder konntet ihr mit Nova mehr anfangen als ich? Und kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr eigentlich Fans einer Autorin oder eines Autors seid, aber ein bestimmtes Buch einfach nicht zündet?
