Düster. Gewaltig. Zart im Kern. Willkommen in einer Welt voller Schatten, Machtspiele und einer Liebe, die nicht sein darf.
‚The Book of Azrael – Götter und Monster 1’ von Amber V. Nicole
Es gibt Bücher, bei denen der Hype schon lange vor dem Erscheinen laut wird. The Book of Azrael war so eines. Schon letztes Jahr tauchte es auf meiner Wunschliste auf – immer wieder begegnete es mir, schlich sich in meine Timeline, meine Gedanken, meine „unbedingt bald lesen“-Liste. Und als es dann endlich so weit war, war meine Vorfreude riesig. Aber: Ich war nicht vorbereitet. Nicht auf das, was mich da erwartete.
Denn ehrlich? Ich habe mich täuschen lassen. Vom zarten Autorenfoto, vom Cover, von der leisen Erwartung, dass es vielleicht eher ein dark-romantischer Roman mit Wohlfühl-Vampir-Vibes wird. Ein bisschen Drama, ein bisschen Magie – aber alles halb so wild? Tja. Falsch gedacht. Amber V. Nicole hat mich mit einem Vorschlaghammer erwischt – in Form von Blut, Schmerz, tiefer Zerrissenheit und einer Welt, die so gnadenlos und faszinierend ist, dass ich mich nicht mehr losreißen konnte.
Worum geht’s überhaupt?Dianna steht mit dem Rücken zur Wand. Ihre Schwester ist schwer krank, ihre Welt am Zerbrechen. In ihrer Verzweiflung schließt sie einen Handel, der sie an Kaden bindet – einen grausamen Unterweltfürsten, der Monster, Vampire und Hexen unter seinem Befehl vereint. Ihre Aufgabe: Eine uralte, mächtige Reliquie beschaffen, die sich im Besitz des Gottes Samkiel befindet. Klingt nach einer einfachen (wenn auch gefährlichen) Mission – wäre Samkiel nicht ihr Erzfeind. Doch was als Kampf beginnt, entwickelt sich zu etwas Tieferem. Etwas, das alles in Frage stellt.
Was hat das Buch mit mir gemacht?
Der Einstieg? Hart. Schnell. Brutal. Ich hatte kaum Zeit, mich zu orientieren – kein seichtes Worldbuilding, keine Einführung mit Landkarte und Historie. Stattdessen: Action, Intrigen, Blut. Erst nach und nach fügte sich das Bild zusammen, wurde die Welt greifbar. Und ich liebte es. Denn dieses Buch will nicht, dass du bequem bist. Es zwingt dich, wach zu bleiben. Hinzusehen. Fühlen zu müssen.
Das Worldbuilding ist ein ganz eigenes Kaliber: vielschichtig, komplex, düster. Mehrere Ebenen, viele Fraktionen, ein riesiges Spektrum an Wesen – von Göttern über Schattenkreaturen, Gestaltwandlern, Hexen, Vampiren bis hin zu albtraumhaften Monstern. Es erinnerte mich stellenweise an Crescent City von Sarah J. Maas, aber auf seine ganz eigene, rohe Art.
Dianna & Samkiel – eine explosive Mischung
Dianna hat mich sofort für sich eingenommen. Sie ist hart, clever, manchmal gnadenlos – aber dabei immer nachvollziehbar. Ihr innerer Antrieb, ihre Liebe zu ihrer Schwester, ihr Wunsch, Kontrolle in einer Welt des Chaos zu behalten – all das macht sie nahbar. Ihre Art, zu kämpfen, zu sprechen, Grenzen zu überschreiten… Ich mochte sie sehr. Sie ist keine Heldin zum Kuscheln. Aber eine, der man folgen will. Weil sie ehrlich ist – in ihrer Wut, in ihrer Trauer, in ihrer Hoffnung.
Und dann: Samkiel. Der „Feind“. Gebrochen. Innerlich zerrissen, von Schuld und Einsamkeit gezeichnet. Was für ein spannender, tiefgründiger Charakter. Zunächst abweisend, distanziert – aber Stück für Stück legt sich seine Rüstung ab. Und was darunter liegt, ist wunderschön. Seine Wandlung hat mich berührt. Und ihre Beziehung? Slow burn at its best. Keine insta-love, keine überhastete Romantik – sondern ein wachsendes, kratzendes, echtes Band. Voller Reibung, Zweifel, Schmerz – und langsam aufkeimender Zuneigung.
Und was ist mit Spice?
Wird man hier fündig? Ja. Aber subtil. Nicht überladen, nicht plakativ. Wenige Szenen, aber genau richtig platziert – sie fügen sich in den Fluss der Geschichte ein, sind sinnlich, aber nie dominant. Und das tut der Geschichte gut. Denn hier geht es nicht um oberflächliche Erotik, sondern um tiefere Verbundenheit.
Nebenfiguren & Atmosphäre
Was Amber V. Nicole ebenfalls meisterhaft beherrscht: Nebencharaktere. Sie sind nicht einfach da – sie leben, atmen, beeinflussen. Manche sind gefährlich, andere verletzlich, viele von ihnen sind ambivalent. Und genau das verleiht der Geschichte ihre Dichte, ihre Tiefe. Das alles eingebettet in eine Atmosphäre, die zwischen düsterer Bedrohung und leiser Hoffnung schwankt. Ein echtes Fantasy-Feuerwerk.
The Book of Azrael ist kein Buch, das man einfach so „mal eben liest“. Es ist intensiv, brutal, wunderschön, schmerzhaft. Ein Buch über Macht, Rache, Schuld – und eine Liebe, die dort entsteht, wo eigentlich kein Licht mehr brennt. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt: mit Tiefe, mit großartigen Figuren, mit einer düsteren Welt, die einen nicht mehr loslässt. Für mich: 4,5 von 5 Sternen – und eine klare Empfehlung für alle, die Fantasy mit Biss, Emotion und Komplexität lieben.
Und ihr?
Lasst ihr euch auch manchmal vom Cover täuschen? Und habt ihr schon mal ein Buch gelesen, das euch völlig überrascht hat – im besten (oder schlimmsten) Sinne?