Es gibt Bücher, die schieben sich einfach so in den eigenen Lesealltag hinein – still, neugierig machend, mit einem Hauch von „lies mich“. Genau so ging es mir mit War Hour, dem Auftakt zu einer neuen Court-Romantasy. Wobei ich gestehen muss: Bevor ich angefangen habe, musste ich erstmal googeln, was „Court Romantasy“ überhaupt genau bedeutet. Hofstrukturen, Machtspiele, Intrigen, Magie und ein Funken Romantik? Klingt gut – also rein da.
In einer Welt, in der Magie nicht aus Blutlinien entsteht, sondern aus Prüfungen. Aus tödlichen Prüfungen. Aus Trials, die mehr Leben auslöschen als retten. Wer sie überlebt, erhält Kräfte – doch die meisten überleben sie nicht einmal bis zur Hälfte. Allein dieser Gedanke hat mich beim Lesen schon unruhig gemacht.
Lysta lernen wir als Straßenkind kennen, mit scharfem Verstand, einer Portion Trotz und dem tiefen Wunsch, einfach nur am Leben zu bleiben. Kein Mädchen, das davon träumt, Heldin zu sein. Kein Auserwähltheits-Glitzer. Und genau deshalb mochte ich sie anfangs so sehr. Sie wirkt greifbar, verletzlich, pragmatisch – jemand, der schon viel zu früh viel zu viel verstanden hat.
Doch genau sie wird in das Trialing gezwungen, hineingestoßen in etwas, das sie nie wollte und das sie zu einer Waffe macht. Zu einer Waffe, die ihr Herrscher scheinbar nur aus einem Grund braucht: um Macht zu gewinnen. Macht über andere Höfe, Macht über ganz Aloria.
Und dann taucht er auf.
Ein Spion. Ein Mann, dessen Blick mehr Fragen stellt als beantwortet. Einer, der ihr einen Ausweg bietet. Oder eine Falle. Vielleicht beides. Ich mochte die Dynamik zwischen den beiden – unausgesprochen, misstrauisch, mit einem leisen Funken, der aber in Band 1 bewusst klein gehalten wird. Wer hier eine große Lovestory erwartet, wird warten müssen. Für mich war das jedoch erfrischend, denn es hat Raum gelassen, um die Welt selbst wirken zu lassen.
Oder besser gesagt: um das wirken zu lassen, was wir von der Welt sehen.
Denn genau da liegt mein größter Kritikpunkt.
Mit fortschreitender Handlung verliert die Geschichte an Zugkraft. Die politischen Verstrickungen und die Arenakämpfe – die War Hours – nehmen immer mehr Raum ein, ohne dass die Welt selbst gleichzeitig greifbarer wird. Ich hatte oft das Gefühl, als würde ich im Nebel herumtappen. Es fehlten mir Details, Antworten, Hintergründe: Woher stammen die Trials? Warum sind sie tödlich? Was treibt die Höfe wirklich an? Und warum bleibt so vieles unausgesprochen?
Lysta bleibt zwar die stärkste Figur, aber viele Nebenfiguren hätten so viel mehr Tiefe verdient. Ich wollte sie mögen, mit ihnen fühlen, ihre Motive verstehen – doch sie rutschten immer wieder ins Austauschbare, zu blass, zu wenig greifbar. Und ja, der große Twist, der die Geschichte eigentlich tragen soll, war für mich schon sehr früh absehbar.
Und trotzdem:
Ich lege das Buch nicht mit Enttäuschung weg.
Es hat etwas.
Ein Potenzial, das man spürt, auch wenn es noch nicht vollständig ausgeschöpft wurde.
Ein Versprechen, das in den Schatten wartet und vielleicht erst im zweiten Band eingelöst wird.
Der Cliffhanger – natürlich kommt einer! – hat mich tatsächlich neugierig gemacht.
Ich werde weiterlesen. Einfach weil ich wissen möchte, ob die Autorin den Raum nutzt, den sie sich selbst geschaffen hat. Ob die Welt klarer wird. Ob die Figuren wachsen. Und ob die Romantasy ihren Platz findet.
Ein solider Auftakt, atmosphärisch und ideenreich, aber noch ausbaufähig.
3 von 5 Sternen – und ja, eine vorsichtige Leseempfehlung für alle, die Dark Courts, Prüfungen und düsteres Potenzial lieben. Band 2 werde ich trotzdem sicher nicht verpassen.
