„Tief im Schatten“, von Viveca Stens

Manchmal ist es wirklich traurig, wie leise ein Buch schreien kann.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich von der Reihe überhaupt Notiz genommen hätte, wäre nicht kürzlich die Netflix-Serie zur Reihe erschienen. So simpel bin ich manchmal gestrickt: „Netflix verfilmt es? Dann muss es gut sein!“ Und obwohl das natürlich kein Garant für Qualität ist, bin ich in diesem Fall mehr als froh, durch den Streaming-Hype auf das Buch – besser gesagt, auf die ganze Reihe – gestoßen zu sein.

Viveca Stens Åre-Krimis spielen im hohen Norden Schwedens, wo der Schnee fällt, als würde er alles zudecken – auch das, was unter der Oberfläche brodelt. In Band 2, „Tief im Schatten“, zieht sich eine eisige Spannung durch jede Seite. Es ist Hochsaison im beliebten Skiort Åre, als in einem nahegelegenen Waldstück eine entstellte Leiche entdeckt wird. Das Opfer ist kein Unbekannter – Johan Andersson war einst ein gefeierter Skistar. Doch wer hasst jemanden so sehr, dass er ihn auf diese Weise zugrunde richtet?

Fast zeitgleich verschwindet in einem Nachbardorf Rebecka, die junge, schwangere Ehefrau eines Pastors. Und so geraten Hanna Ahlander und ihr Kollege Daniel Lindskog erneut unter enormen Druck – denn es geht nicht nur um Aufklärung, sondern um Leben und Tod. Rebecka braucht dringend Medikamente. Die Zeit läuft.

Ich hatte mich auf diesen zweiten Teil besonders gefreut, denn der erste Band hatte mich restlos begeistert.

Was ich an Viveca Stens Stil besonders mag, ist die dichte Atmosphäre. Man spürt die schwedische Kälte nicht nur in der Luft, sondern auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Figuren wirken niemals überzeichnet, sondern stets greifbar – ob es Hanna ist, die sich weiterentwickelt, oder Daniel, der mit seiner ruhigen, empathischen Art ein Gegengewicht bildet. Besonders gefallen haben mir diesmal die Nebenfiguren – Anton, aber auch Hannas Schwester Lydia, deren Beziehung zueinander in diesem Band deutlich mehr Raum bekommt.

Der Kriminalfall selbst wird in zwei miteinander verflochtenen Erzählsträngen erzählt – einerseits erleben wir Rebeckas Perspektive, teils rückblickend, teils in der Gegenwart, andererseits begleiten wir Hanna und Daniel bei ihrer Ermittlungsarbeit. Das sorgt für Dynamik, Spannung und ein stetiges Vorantreiben der Handlung. Anfangs dachte ich tatsächlich, der Fall sei sehr durchschaubar – doch weit gefehlt. Viveca Sten versteht es meisterhaft, falsche Fährten zu legen. Das Ende kam überraschend – tragisch, schockierend und mit einer Wucht, die ich so nicht habe kommen sehen. Ich war sicher, den Täter längst identifiziert zu haben – falsch gedacht.

Für mich war das Buch ein absoluter Pageturner. Ich habe es in kürzester Zeit verschlungen und freue mich schon jetzt auf Band 3, der bereits lesebereit auf meinem Stapel wartet. Tief im Schatten hat mich nicht nur unterhalten, sondern auch emotional berührt – und das ist für mich immer ein Zeichen dafür, dass eine Geschichte mehr ist als nur ein Krimi.

⭐️⭐️⭐️⭐️✨ 4,5 von 5 Sternen – und eine dicke Empfehlung für alle, die Scandi-Crime lieben, sich gerne überraschen lassen und starke, nachvollziehbare Figuren schätzen.

Übrigens: Erst beim Schreiben dieser Rezension ist mir ein kleines Detail aufgefallen – eines, das mich fast noch mehr begeistert hat. Ich habe in derselben Woche auch ein Buch von Camilla Sten vorgestellt, ohne zu merken, dass sie die Tochter von Viveca ist! Wie genial ist das bitte? Zwei starke Autorinnen, zwei Generationen, zwei unterschiedliche Stimmen – aber beide mit dem Gespür für Spannung, Atmosphäre und komplexe Figuren. Ein bisschen Gänsehautmoment für mich, ehrlich gesagt.