Alchemised von SenLinYu – High Fantasy, die keine Gefangenen macht

Kennt ihr das Gefühl, wenn gefühlt die halbe Book-Bubble ein Buch liest – und ihr euch fragt, ob ihr standhaft bleibt oder doch in den Hype-Strudel geratet? Genau da war ich. Und, Überraschung: Ich bin natürlich hineingeraten. Ich habe Alchemised gelesen – das Buch, über das aktuell einfach jeder spricht. Und jetzt will ich euch (spoilerfrei, versprochen!) erzählen, ob dieser Riesenhype wirklich gerechtfertigt ist.

‚Alchemised‘ von SenLinYu

Helena Marino ist die letzte Überlebende des Widerstands. Vergessen, gefangen, gebrochen – bis sie in die Hände von Kaine Ferron fällt, dem erbarmungslosen High Reeve. Eingesperrt auf seinem eisernen Anwesen versucht Helena, die letzten Geheimnisse ihrer Welt zu bewahren, während Kaine mit alchemistischer Gewalt in ihre Erinnerungen eindringt. Sie weiß nicht mehr, wer sie war – Heilerin? Verräterin? Opfer oder Teil des Spiels? Und je tiefer man in ihre Geschichte eintaucht, desto klarer wird: Zwischen Helena und Kaine gibt es mehr Verbindungen, als beiden lieb ist.

Zuerst das Offensichtliche: Alchemised ist kein Romantasy-Roman. Auch wenn das Cover vielleicht kurz blinzeln lässt – nein, das hier ist düstere, kompromisslose High Fantasy. Eine Geschichte, die fordert, nicht nur emotional, sondern auch geistig. Man liest sie nicht nebenbei. Man muss sich fallen lassen in dieses politische Machtspiel, das komplexe Worldbuilding, die religiösen Strukturen und die gnadenlose Alchemie, die zwischen Wissenschaft und Wahnsinn balanciert.

Und ja – mit 1200 Seiten ist das kein Snack für zwischendurch, sondern eher ein literarisches Fünf-Gänge-Menü. Reichhaltig, intensiv, manchmal schwer verdaulich – aber am Ende unglaublich befriedigend.

Das Magiesystem? Großartig durchdacht. Die Alchemie folgt ihren eigenen, fast naturwissenschaftlichen Gesetzen, logisch, aber gleichzeitig tief mystisch. Das erinnert an Mistborn oder Blood over Bright Heaven, bleibt aber ganz eigenständig. Die Welt ist brutal, politisch, religiös durchdrungen – und gleichzeitig faszinierend. Macht, Fanatismus, Isolation und Schuld verweben sich zu einem Netz, in dem keiner unschuldig bleibt.

Das Setting wirkt beinahe dystopisch: Industrie trifft Spiritualität, Technik auf Aberglaube, und mittendrin Menschen, die versuchen, nicht zu zerbrechen. Nichts hier ist schwarz-weiß – alles ist grau, glühend, und voller Ambivalenz.

Natürlich hat auch Alchemised seine Schwächen. Es ist lang, teilweise zu lang. Manche Szenen hätten etwas Straffung gut vertragen. Und die Liebesgeschichte? Eher psychologisch als romantisch – kein Herzklopfen, sondern ein Knistern zwischen Schmerz und Abgrund. Sie ist kein Trost, sondern eine weitere Wunde. Und genau das passt perfekt zur Atmosphäre des Buches.

Was bleibt?

Ein monumentales, düsteres, unbequemes Werk, das nicht unterhalten will, sondern fordert. Das keine einfachen Antworten gibt, sondern Fragen stellt. Und das mich – trotz seiner Länge – beeindruckt hat. Alchemised ist kein Wohlfühlroman, sondern ein Spiegel, der uns zeigt, wie dünn die Schicht zwischen Menschlichkeit und Machtgier sein kann.

4,5/5 – kein Highlight im klassischen Sinn, aber ein Buch, das bleibt. Brutal, vielschichtig, fordernd – und einfach verdammt gut.

Und jetzt mal ehrlich: Habt ihr den Hype schon mitgemacht? Oder wartet ihr lieber, bis sich der Rauch legt, bevor ihr euch an solche Wälzer wagt?