Wenn sieben Stunden alles verändern – und doch so vieles ungesagt bleibt…
Megan Miranda ist für mich eigentlich eine sichere Bank. Ihre Thriller haben mich in der Vergangenheit immer wieder überzeugt – mit klug konstruierten Twists, atmosphärischem Storytelling und einem Gefühl für unterschwellige Spannung, das oft bis zur letzten Seite anhält. Umso gespannter war ich auf „Sieben Stunden. Wen würdest du retten?“, denn der Klappentext klang vielversprechend. Eine Gruppe von Überlebenden, ein traumatisches Ereignis, ein düsteres Wiedersehen – Stoff für einen Pageturner, dachte ich.
Doch diesmal: Vielversprechender Anfang, schwierige Umsetzung.
Schon nach wenigen Kapiteln merkte ich, dass mich diesmal etwas störte, das sich durch das ganze Buch ziehen sollte: Zu viele Figuren, zu wenig Tiefe. Die Gruppe der Überlebenden, die sich jedes Jahr an einem abgelegenen Ort nahe des Unfallortes trifft, wirkte auf mich blass. Kaum ein Charakter blieb hängen, die Stimmen verschwammen ineinander – was in einem Thriller mit multiplen Perspektiven problematisch ist. Die wenigen Informationen, die man zu den Einzelnen bekommt, bleiben oberflächlich. Ein Beruf hier, ein Familienstand dort – aber echte Persönlichkeiten? Fehlanzeige.
Cass – eine Protagonistin mit viel Trauma, aber wenig Greifbarkeit.
Im Zentrum steht Cass, mittlerweile 28 Jahre alt und eine der Überlebenden des folgenschweren Unfalls vor zehn Jahren. Ihre Perspektive nimmt den größten Raum ein, und obwohl sie offensichtlich emotional gezeichnet ist, konnte ich nur schwer einen Zugang zu ihr finden. Ihre Gedanken kreisen viel um das Geschehene, aber ohne klare Linie oder emotionale Tiefe, die mich wirklich erreicht hätte. Ihre Entscheidung, Jahr für Jahr an diesen Ort zurückzukehren, schien mir eher seltsam als nachvollziehbar – vor allem, da die Gruppe sich dort offenbar kaum austauscht, keine Verarbeitung stattfindet, keine Nähe entsteht. Eher ein Nebeneinanderher statt eines wirklichen Zusammenhalts.
Ein langsamer Start, der Geduld fordert.
Was mir besonders auffiel: Der Spannungsbogen lässt lange auf sich warten. Die ersten 200 Seiten ziehen sich zäh, Rückblenden in die Unfallnacht versuchen zwar Dramatik zu erzeugen, bleiben aber vage. Der kürzliche Tod eines weiteren Überlebenden – eigentlich ein zentraler Punkt – wird viel zu lange kaum thematisiert. Hier stört auch der Klappentext enorm, denn er verrät bereits entscheidende Inhalte, die im Buch selbst viel zu spät aufgegriffen werden. So wartet man ständig auf eine Entwicklung, die einfach nicht eintritt – und fühlt sich als Leser ausgebremst.
Und dann doch: ein Hoffnungsschimmer.
Erst nach besagten 200 Seiten nimmt die Geschichte Fahrt auf. Die Atmosphäre wird dichter, ein Sturm bricht los (symbolisch wie wörtlich), und die Rückblicke gewinnen an Substanz. Die Stunden nach dem Unfall werden Stück für Stück aufgedeckt, und endlich kommt so etwas wie Nervenkitzel auf. Auch eine Wendung kurz vor Schluss konnte mich nochmal positiv überraschen – zumindest ein kleines Aha-Erlebnis, das ich mir eher früher gewünscht hätte.
Fazit:
„Sieben Stunden. Wen würdest du retten?“ ist kein schlechter Thriller – aber definitiv einer, der viel Geduld verlangt. Die Idee ist stark, der Schreibstil wie gewohnt atmosphärisch, aber die Umsetzung leidet unter schwachen Figurenzeichnungen, langatmigem Aufbau und einem zu früh spoilenden Klappentext. Wer sich bis zur zweiten Hälfte durchkämpft, wird mit etwas mehr Spannung belohnt – doch für mich blieb das Gefühl, dass hier viel Potenzial verschenkt wurde.
Daher: 3 von 5 Sternen. ⭐️⭐️⭐️
Ein Buch mit Licht und Schatten – und der Hoffnung, dass Megan Miranda beim nächsten Mal wieder zu ihrer gewohnten Form zurückfindet.